Lust/Unlust

Lust/Unlust

Lust/Unlust

Zunächst wollen wir uns mit dir einige Begriffe genauer ansehen, die mit Lust oder auch Unlust in Verbindung stehen.

Sinnlichkeit

All unsere Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen) sind wichtig, um die Welt zu begreifen und uns in ihr zurechtzufinden. Sinnliche Erfahrung ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens und an unserer persönlichen Entwicklung maßgeblich beteiligt. Auch unser Sexualleben ist geprägt von unserer Sinnlichkeit. Bewusst oder unbewusst leitet sie unser Verhalten, das unsere Bedürfnisse erfüllt.

Lust

Es gibt unterschiedliche Formen von Lust.

Eine davon ist die sexuelle Lust, auch bekannt als Libido.

Grundsätzlich ist Lust immer eine sinnliche Erfahrung, der wir uns hingeben möchten und welche mit positiven Gefühlen im „Hier und Jetzt“ verbunden ist. Dabei können all unsere Sinne eine Rolle spielen.

Sexuelle Lust bedeutet ein bewusstes Verlangen oder Wunsch nach sexuellen Aktivitäten mit sich selbst oder mit anderen. Sie ist der Antrieb dafür, sexuell aktiv sein zu wollen.

 

Vorspiel

Sexuelle Lust muss nicht bereits vor dem Sex vorhanden sein, sondern sie entwickelt sich oft auch erst im Tun.

Dies ist der Grund, weshalb es sehr bedeutend sein kann, sich zunächst einmal gemeinsam in Stimmung zu bringen und sich behutsam Lust auf mehr zu verschaffen.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Erregung zu steigern und dabei die Lust zu aktivieren und zu verstärken.

Dabei handelt es sich um einen Moment hoher Sinnlichkeit und Intimität.

Auch wenn diese Phase vor dem Geschlechtsverkehr meist als „Vorspiel“ bezeichnet wird, ist sie nicht weniger bedeutend als das tatsächliche Eindringen und Aufnehmen des anderen Geschlechtsteils. Es ist dies bereits Sex.

Durch ein Gespräch, gemeinsames Kochen, essen, kuscheln, dem Spielen mit verschiedenen Berührungsarten (z. B. streicheln, massieren, gemeinsam baden usw.) ist es möglich, das sexuelle Verlangen zu steigern.

 

Wie stark ist die Lust?

Die Intensität der Lust kann bis zum Erreichen eines Höhepunkts wachsen. Je stärker die sexuelle Erregung ist, umso höher ist die Lust bzw. das Verlangen, den Höhepunkt zu erreichen.

Jeder Mensch hat sein eigenes Lustniveau und es ist nicht festlegbar, wie viel Lust eine Person verspüren soll. Ein und dieselbe Person kann mal mehr und mal weniger Lust empfinden. Das wird von zahlreichen Faktoren bestimmt.

Ob und wie viel Verlangen du nach dem Sex hast, wird unter anderen beeinflusst von

  • deinem Hormonspiegel
  • der jeweiligen Situation
  • deiner körperlichen Fitness
  • der jeweiligen Beziehungsqualität
  • psychischen Faktoren
  • deiner Ernährung
  • deinem Selbstbild (wie du deinen eigenen Körper und deinen Intimbereich bewertest)

Unlust

Weshalb jemand keine Lust auf Sex hat, kann sehr unterschiedlich sein.

Es können unter anderem folgende Gründe dahinterstecken:

  • organisch: Schilddrüsenerkrankungen, Herz- und Gefäßerkrankungen, Zuckerkrankheit usw.
  • psychisch: Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen usw.
  • sozial: Beziehungskrisen, berufliche Belastungen, allgemeiner Stress usw.
  • Substanzeinwirkungen: unterschiedliche Medikamente, Drogen usw.
  • Im Laufe einer länger andauernden Beziehung kann es ebenso zu einem Nachlassen des sexuellen Verlangens kommen.

Solltest du deinem Ermessen nach zu wenig oder keine sexuelle Lust wahrnehmen, dieser Zustand mehr als 6 Monate andauern und es dich belasten, dann ist der Gang zum*r Ärzt*in ratsam.

Zunächst wird möglichen Ursachen auf den Grund gegangen. Danach werden, in Absprache mit dir, Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen.

Sexsucht

Dabei handelt es sich um ein übermäßiges, zwanghaftes Denken an und/oder Verlangen nach sexuellen Aktivitäten, welche mit einem Leidensdruck der betroffenen Menschen verbunden sind.

Im Vordergrund steht nicht, wie häufig ein Mensch an Sex denkt oder sexuell handelt, sondern das Gefühl, keine Kontrolle darüber zu haben und es nicht mehr steuern zu können. Die Selbstwirksamkeit, das heißt die Fähigkeit etwas dagegen tun zu können, geht immer stärker verloren.

Verpflichtungen, alltägliche Aufgaben und Interessen werden untergeordnet und vernachlässigt. Selbst das Wissen von negativen Konsequenzen macht es den Betroffenen* kaum möglich, ihr auf Sex fixiertes Denken und Verhalten zu verändern, denn psychische Entzugserscheinungen (Nervosität, Depression, Angst und Unruhe) können nur schwer ausgehalten werden. Meist stecken psychische Ursachen dahinter, eher selten sind es genetische oder organische.

 

WICHTIG! Das Ziel einer Behandlung von Sexsucht liegt nicht darin, keinen Sex mehr zu haben!

Sex soll weiterhin als ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität erkannt werden, doch einen guten Umgang damit zu erlernen, ist für unsere Gesundheit wichtig.

Wie entsteht Erregung?

Erregungsreflex

Die Erregung beginnt in unserem Gehirn mit dem Erregungsreflex, der durch bestimmte Reize ausgelöst wird und bereits im Mutterleib entwickelt ist. Es handelt sich um eine Reaktion, die nicht bewusst gesteuert werden kann.

 

Hast du schon einmal bemerkt, dass bestimmte Bewegungen, wie z. B. Hüpfen, durch Berührungen, Gerüche, bestimmte Bilder oder Fantasien zu besonderen Empfindungen im Körper führen können?

Das kann Wärme, ein Kribbeln, eine Muskelanspannung im Genital- und Bauchraum, Brustbereich usw. sein.

Vielleicht hast du aber auch noch nie wirklich darauf geachtet und dadurch diesen Reflex nicht wahrnehmen können. Beginne, deine Empfindungen in Verbindung mit verschiedenen Reizen bewusst zu beobachten.

 

Wann nimmt man den Reflex zum ersten Mal wahr?

Wir Menschen entdecken diesen Reflex zu unterschiedlichen Zeiten bewusst. Durch Bewegung (schaukeln, drehen, hüpfen, tanzen usw.) und durch verschiedene Berührungen (reiben, streicheln, etwas umklammern, anschmiegen usw.) werden wir auf diese Reaktion aufmerksam und der Reflex wird dadurch plötzlich gezielt wahrgenommen. Ihn spüren zu können, lernen wir also durch Erfahrungen im Laufe unseres Lebens. Es ist möglich, Situationen zu schaffen, in welchen die Wahrscheinlichkeit den Reflex auszulösen hoch ist, aber direkt hervorrufen kann man ihn nicht.

Erektion

Nervensignale, die im Gehirn durch den Erregungsreflex ausgelöst werden, werden über die Nervenbahnen im Rückenmark bis zu den Genitalien weitergeleitet.

Spezielle Botenstoffe tragen dazu bei, dass sich Blutgefäße zu den Genitalien und in den Schwellkörpern ausweiten, um verstärkt Blut fassen zu können. So kann z. B. bereits im Mutterleib durch Ultraschalluntersuchungen erkannt werden, dass ein Penis steif wird, weil sich die Schwellkörper mit Blut füllen. Auch die Schwellkörper der Klitoris und die Intimlippen füllen sich bei einer Erektion verstärkt mit Blut. Dabei wird meist ein angenehmes und wohliges Gefühl empfunden.

 

 

Eine Erektion kann auch in Situationen ausgelöst werden, die einem nicht angemessen erscheinen und die vielleicht sogar unangenehm ist.

Viele angenehme und unangenehme Emotionen lösen in unserem Körper Muskelanspannungen aus. Diese erinnern vielleicht unbewusst an angenehme sexuelle Erfahrungen und rufen automatisch einen Erregungsreflex hervor. Daraufhin kann es zu einer Erektion kommen.

 

Warum ist mein Penis beim Aufwachen steif?

Durch die Entspannung der Blutgefäße im Schlaf füllen sich die Schwellkörper mit Blut. Die sogenannte Morgenlatte ist ein bekanntes Beispiel dafür, dass Erektion nicht immer durch Erregung ausgelöst wird.

Gründe fehlender Erektion

Das Auslösen des Erregungsreflexes muss allerdings nicht zu einer Erektion führen. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb trotz Erregung und Lust keine Erektion erfolgt.

 

Erregung

Der Reflex ist angeboren, aber du kannst die daraus entstehende Erregung, die Intensität der damit verbundenen Empfindungen, steuern, um sie bis zum Höhepunkt zu steigern. Mit einer erhöhten Erregung entwickelt sich auch eine immer größere Lust, bis zum Höhepunkt (Orgasmus) zu gelangen.

Wie kann ich meine Erregung steuern?

Wir sammeln im Laufe unseres Lebens Erfahrungen, wie wir Erregung lustvoll aufbauen und auch abbauen können. Oft geschieht dies unbewusst.

Schon Babys lernen die Erregung zu steigern oder abzuflachen, indem sie Erfahrungen durch Bewegung, An- und Entspannung und Berührung sammeln und die Erregung in ihrer unterschiedlichen Ausprägung wahrnehmen.

Werden diese Zusammenhänge entdeckt, kann Erregung bewusst beeinflusst und dabei Lust empfunden werden.

Die verschiedenen Spürfähigkeiten und Erregungsqualitäten kennenzulernen, ist die Voraussetzung dafür, sie steuern zu können. Auch Möglichkeiten zu finden, wie man eine Erregung bewusst abflachen kann, um z. B. nicht so schnell zum Orgasmus zu kommen, ist gut.

Es ist hilfreich, sich auszuprobieren, welchen Einfluss unterschiedliche Berührungen, Bewegungen, Gedanken, An- und Entspannung usw. auf die Erregungsintensität haben.

 

Was passiert bei einem Anstieg der Erregung?

  • Die Wahrnehmung der stimulierten Intimbereiche wird intensiver.
  • Herzschlag sowie Atmung werden schneller.
  • Der Blutdruck steigt.
  • Die Brustknospen stellen sich auf.
  • Beckenmuskeln ziehen sich zusammen.
  • Schwellkörper füllen sich verstärkt mit Blut, wodurch Klitoris, Intimlippen und Penis anschwellen.
  • Die vorhandene Vorhaut am Penis geht zurück und die Eichel liegt frei.
  • Die Klitorisperle tritt stärker unter der Vorhaut hervor.
  • Die Vagina sondert verstärkt Flüssigkeit ab und wird feucht.
  • Aus dem Penis treten mehr oder weniger Flüssigkeitströpfchen, dem sogenannten Lust- oder Freudetropfen.

 

 

Was ist ein Orgasmus?

Der Orgasmus wird auch als „Höhepunkt der sexuellen Erregung“ bezeichnet. Dabei wird die durch die Erregung aufgebaute Gefühls- und Körperspannung entladen.

Orgasmus

Beim Orgasmus handelt es sich um angenehme Empfindungen und Gefühle, die sich meist wellenartig über den ganzen Körper ausbreiten können.

Es gibt viele Beschreibungen eines Orgasmus, denn er wird von Menschen sehr unterschiedlich erlebt. Es handelt sich dabei um einen Reflex.

Bei höchster Erregung ziehen sich vor allem Beckenmuskeln, aber auch andere Muskeln des Körpers rhythmisch zusammen. Somit wird Spannung im Körper losgelassen und infolgedessen abgebaut.

Auf der Gefühlsebene entlädt sich die Spannung ebenso und zeigt sich auf verschiedenster Art und Weise. Vielleicht musst du dabei stöhnen, lachen, kichern oder sogar weinen. Ein und derselbe Mensch erlebt einen Orgasmus nicht immer gleich.

 

 

Muss ich beim Sex einen Orgasmus haben?

Nein! Erfüllenden Sex zu haben bedeutet nicht, dass er mit einem oder mehreren Orgasmen „gekrönt“ werden muss. Keinen Orgasmus zu spüren, heißt nicht, dass es kein genussvolles, schönes und erfüllendes Erlebnis war.

Gleichzeitiger Orgasmus

Es kann zu einem starken Leistungsdruck führen, wenn zum Ziel gesetzt wird, dass es zu einem gleichzeitigen Orgasmus kommen soll. Das kann die Lust und Erregung massiv beeinträchtigen.

Manche Menschen sehen auch einen Vorteil darin, zeitlich verschobene Orgasmen zu haben, denn so können sie sich besser auf das eigene Erleben konzentrieren und fühlen sich weniger abgelenkt.

 

Was ist eine Ejakulation?

Die Ejakulation ist eine körperliche Reaktion, durch die Sperma aus dem Penis oder eine Flüssigkeit zwischen Harnröhre und Vagina ausgestoßen wird.

Ejakulation

Oft sind Orgasmus und eine Ejakulation miteinander verbunden, das muss aber nicht sein! Diese beiden Funktionen werden vom Körper unterschiedlich gesteuert und sind nicht unbedingt miteinander gekoppelt.

Nicht bei jedem Orgasmus kommt gezwungenermaßen Samenflüssigkeit aus dem Penis. Außerdem können sich im eher selteneren Fall auch Nebenhoden, Samenleiter, Bläschendrüse und Prostata zusammenziehen und Sperma aus dem Penis transportieren, ohne dass ein Orgasmus-Gefühl verspürt wird.

Selbstbefriedigung

Selbstbefriedigen, onanieren, masturbieren, Solosex usw. Einerseits haben wir dafür viele verschiedene Ausdrücke, andererseits fällt es uns oft schwer, darüber offen zu sprechen.

 

Dabei ist es völlig normal, wenn du das Bedürfnis hast, dich selbst anzufassen, zu erforschen, was sich gut oder weniger gut anfühlt, welche Gefühle du beim Solosex hast und wie man das wohlige Gefühl steigern kann, um vielleicht bis zum sexuellen Höhepunkt zu kommen, aber auch wie man einen Orgasmus hinauszögert.

Bei der Selbstbefriedigung lernst du deinen Körper besser kennen und spüren. Viele Menschen entdecken im Solosex auch eine Möglichkeit, Stress und Spannung abzubauen.

Die meisten Menschen lassen bei der Selbstbefriedigung ihre persönlichen Fantasien einfließen und leben dadurch auch Bedürfnisse aus, die sie im wirklichen Leben nicht ausleben wollen oder können.

Wenn Selbstbefriedigung ein Teil deiner gelebten Sexualität ist, dann gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie du dich selbst befriedigen kannst. Verschiedene Stellungen, unterschiedliche Berührungsqualitäten, Bewegungen und Reibungen an etwas aber auch Sexspielzeuge können dabei helfen, seinen Körper, Lust und Erregung erlebbar zu machen.

Dazu gibt es keine Anleitung, die für alle Menschen gilt, sondern nur du selbst kannst herausfinden, was dir gut tut.

 

Wichtig ist: Aussagen wie „Selbstbefriedigung macht dumm oder krank“ sind völliger Unsinn!

 

 

Quelle

lilli.ch/orgasmus

www.erektionsstoerungen-behandlung.com/erektionsstoerungen/wie-entstehen-erektionen

www.sexmedpedia.com/wie-funktioniert-sexualitaet

www.msdmanuals.com – männliche Sexualität

 

Bücher:

Ann-Marlene Henning (2017). Make Love. Goldmann Verlag.

Esther Elisabeth Schütz und Theo Kümming (2007). Körper und Sexualität. Atlantis Verlag.